01.01.2019

DORFGEMEINSCHAFTSHAUS AIHERLHOF

Der Stadtrat in Neunburg vorm Wald wurde über den aktuellen Sanierungsstand des denkmalgeschützten Dreiseithofes in Mitterauerbach informiert. Als betreuendes Architekturbüro unterstützten wir die Präsentation des Projektes und skizzierten den weiteren Verlauf auf. Besonders erwähnenswert sind die enormen Eigenleistungen, die die Dorfgemeinschaft Mitterauerbach bisher in die Sanierung steckte.

 



„Wenn heute die Morgensonne durch die kleinen Kastenfenster ihre Strahlen schickt, welche durch die schrägen Leibungen in den Raum reflektiert werden und so die Stube mit Licht erfüllen. Wenn dazu leichter Geruch des auf dem Boden verstrichenen Leinöls um die Nase zieht, dann lässt es sich gemütlich auf der Eckbank im Herrgottswinkel verweilen.“ Architekt Michael Steidl in der Stube des Aiherlhofs.
Eine Atmosphäre, die für alle nachfolgenden Generationen vorenthalten geblieben wäre, hätte das Landratsamt Schwandorf dem Antrag auf Abriss zugestimmt. Das Landesamt für Denkmalpflege stemmte sich gegen den Abriss und setzte sich für den Erhalt des Dreiseithofes aus dem 17. Jahrhundert ein. Welch Verlust von Geschichte wäre es gewesen die eine weitere identitätslose Ortsmitte im ländlichen Raum der mittleren Oberpfalz besiegelt hätte.
Der denkmalgeschützte Dreiseithof wurde 20 Jahre nicht bewohnt. Feuchtigkeit drang über das Mauerwerk von unten und über das Dach von oben in die Baukonstruktion ein. Die Hofanlage war dem Verfall preisgegeben, bis die Dorfgemeinschaft von Mitter- und Oberauerbach beschlossen hatte, dass das Gebäude zum Dorfgemeinschaftszentrum für die Bevölkerung und die Vereine umgebaut werden sollte. 2010 kam die Zusage vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dass die Maßnahmen am sogenannten Aiherlhof gefördert werden. Der Hausname des Anwesens war ursprünglich „Kieneraiherl“, der sich vermutlich von seinem damaligen Besitzer Kiener Erhard im 18. Jahrhundert ableiten lässt. Ein Jahr darauf setzte der Stadtrat Neunburg vorm Wald die Weichen für eine umfangreiche Sanierung des Anwesens.
„Als die Baugenehmigung vorlag, gingen die Dorfbewohner in die umliegenden Wälder und schlugen das Bauholz.“ – Wenn man dieses Bild vor Augen hat, bekommt man ein Gespür für das, was in Mitterauerbach geschehen ist. Im Nachhinein könnte man auch vom Wunder im Auerbachtal sprechen. 15.000 freiwillige Arbeitsstunden Eigenleistung vollbrachte die Dorfgemeinschaft für die Sanierung des Dreiseithofes und spendete zudem 145 cbm Bauholz.
Im Wohnhaus blieb die historische Gebäudestruktur erhalten. Nur in einem Raum wurden Trennwände für die Sanitäranlagen eingezogen. Die Holzkonstruktion des Dachstuhls, sowie von Remise und Scheune wurde weitgehendst erhalten. Morsche Balkenteile insbesondere im Traufbereich und im Sockel der Scheune wurden ausgeschnitten, ergänzt und mit Stabdübeln verbunden. Im ersten Blick sieht man so die Holzkonstruktion, wie sie früher war, dennoch erkennt man bei genauerem Hinsehen die angefügten Stücke. Konnte hier vieles bewahrt werden, musste das Nebengebäude für den Neubau des Feuerwehrgerätehauses weichen. Durch die gleichen Proportionen des Vorgängerbaus und durch die Holzverschalung fügt es sich in die Struktur des Dreiseithofes ein. Der Neubau des Backofens wird das gesamte Ensemble noch ergänzen.
Bei der Sanierung des Gebäudes wurde ganz auf traditionelle, handwerkliche Details gesetzt, aber mit dem Know-How von heute. Die hölzernen Doppelfenster zum Beispiel entsprechen den heutigen Energiestandards durch eine Isolierverlasung, werden aber mit Eichennägeln zusammengehalten und die äußere Fensterscheibe ist mundgeblasen. Auch konnten die alten Beschläge wiederverwendet werden. Das Verputzen ist auch ohne Drahtwinkel, Metalleckleisten, ohne Richtlatte und Wasserwage möglich. Hierzu braucht es Augenmaß und viel Gefühl in den Händen. Dabei entstehen Wandoberflächen, an die man sich gerne anlehnt. Das erweckt positives Empfinden in unserem Unterbewusstsein, solch ein Haus betritt man gerne. Für den Oberflächenschutz wurden fast alle Bauteile, Fenster- und Türrahmen und die Beschläge mit Leinölfarben gestrichen. Der Boden wurde mit farblosem Leinöl eingelassen.
Wenn man erlebt hat, wie sich scheinbar unbiegsames Eisen nur mit Kohlenfeuer und Hammer formen lässt und dabei der Handabdruck des Schmiedes am Werkstück, zum Beispiel den Türbändern für immer sichtbar bleibt, gerät man ins Sinnieren. Das kann keine Maschine!
Bei so viel Eigenleistung ist es selbstverständlich, dass alte Handwerkskunst aufgefrischt und gepflegt wurde. Die tatkräftigen Hände aller wissen nun, dass bei einer Natursteinmauer nicht der Zementmörtel die Steine zusammenhält, sondern, dass diese durch die alleinige Schwerkraft der Steine und die kraftschlüssig positionierten Steinschiefen (Zwicker) stehen bleibt. Form und Gestaltung des Erstandenen ist das Ergebnis von Material, Werkzeug und Wissen aus der Praxis. Auch weiß nun ein jeder, dass der noch so harte Granit auch seine schwachen Stellen hat und schneller, schöner und sauberer mit dem richtigen Werkzeug gespalten werden kann, als mit dem Diamanttrennschneider. Die Räume im Erdgeschoss erhielten eine Fußboden- beziehungsweise Wandheizung. Dadurch nässt die Außenmauer nicht mehr durch und das Gebäude kann trocken gehalten werden.
Bei der Bayerischen Architektenkammer stieß das Projekt auf großes Interesse, so dass es von der unabhängigen Jury zu den Architektouren 2019 ausgewählt wurde. Die Architektouren sind eine alljährlich stattfindende Veranstaltung der Architektenkammer, zu der Vorzeigeprojekte ausgewählt werden, um diese an einem gemeinsamen Wochenende mit Offenen Türen der Bevölkerung zu präsentieren. Die Projekte sollen repräsentativ für Strömungen und Haltungen der Baukultur im Jahr 2019 sein. Die Stadt Neunburg als Bauherr und das Architekturbüro Steidl freuen sich gleichermaßen über diese Auszeichnung. Ganz besonders angetan war man allerdings, dass an der Veranstaltung am Dreiseithof in Mitterauerbach der Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer Karlheinz Beer teilnahm und die Planung und Umsetzung lobend würdigte.
 

Gebäudetyp:Denkmalgeschütztes Gebäude, Dreiseithof
Standort:Mitterauerbach
Bauherr:Stadt Neunburg vorm Wald
Leistung:LPH 1-9